Die Kunst der Geduld - Familiengold Familienberatung und Elterncoaching

Die Kunst der Geduld: Wie Eltern souverän mit Herausforderungen umgehen können

Du wünschst dir manchmal, du könntest im Alltag geduldiger bleiben im Umgang mit deinem Kind? Du verurteilst dich selbst und hast ein schlechtes Gewissen, wenn du mal wieder ungeduldig warst und gemotzt hast? Und du hast das Gefühl, dass alle anderen das irgendwie besser hinkriegen? Dann ist dieser Blogartikel genau das Richtige für dich. Lass uns die Sache mit der Geduld doch mal genauer anschauen.


Was ist eigentlich Geduld?

Das sagt Wikipedia dazu: „Das Wort Geduld bezeichnet die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen.“

Ein Bedürfnis oder einen Wunsch bewusst zurückzustellen, nicht sofort zu handeln, nicht sofort zu sagen, was mir auf der Zunge liegt. Für mich bedeutet das, einen Abstand zwischen Reiz und Reaktion zu bekommen. Es ist eine bewusste Entscheidung darüber, eine gewisse Zeit vergehen zu lassen, bis ich reagiere. Es ist Anstrengung. Ich würde sogar sagen, es ist eine aktive Anstrengung, das innere Gefühl der Ungeduld so zu lenken, dass daraus Geduld wird. Nach außen sieht das dann meist nach Ruhe und Gelassenheit aus.

Geduld ist von außen unsichtbar

Die Anstrengung, also die Geduld an sich, ist allerdings von außen nicht sichtbar. Und manchmal bekomme ich dann gesagt „Du bist aber geduldig mit deinen Kindern“ oder wir selbst beobachten andere (scheinbar) geduldige Eltern in Situationen, die für uns selbst herausfordernd wären. Aber ob diese Situation für die andere Person Geduld erfordert oder nicht, kann ich überhaupt nicht beurteilen. Zählt diese Person innerlich schon längst bis 10 und beißt sich auf die Zunge, um nicht zu schimpfen oder gibt es für sie überhaupt kein Problem? Und wenn ihr die Situation gar nichts aus macht, dann braucht sie auch keine Geduld aufzuwenden. Dann ist sie gelassen, aber nicht geduldig. Geduld ist also nur dann wirklich Geduld, wenn sie herausgefordert wird.

Die Themen, die Geduld erfordern sind individuell, weil jede*r von uns unterschiedliche Erfahrungen gemacht und unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung hat. Die eine muss viel Geduld bei der täglichen Einschlafbegleitung aufbringen, der andere braucht sie auf dem Heimweg vom Kindergarten. Und die Person, der die Streitschlichtung auf dem Spielplatz leicht von der Hand geht, ist dann vielleicht beim Essen mit ihrem Kleinkind herausgefordert. Wir haben alle unsere Baustellen.

Was tun gegen Ungeduld?

Das Gute ist, wir können etwas tun und zwar am Besten, bevor unsere Geduld aktiv gefragt ist.
Denn in der konkreten Stresssituation souverän reagieren zu können, ist wirklich die Königsdisziplin. Du kannst daher versuchen, solche Szenarien von vornherein zu vermeiden oder dich besser darauf vorzubereiten.

Hier meine Top Tipps dazu:

  • Plane Zeitpuffer ein für Pausen und unerwartete Verzögerungen. Denn irgendwas ist immer.
  • Übernimm die Verantwortung und nutze deine Fähigkeit den zeitlichen Überblick zu behalten und kündige z.B. frühzeitig an, wenn ihr das Haus verlassen wollt oder wecke dein Kind morgens rechtzeitig
  • Korrigiere deine Erwartungshaltung. Dein Kind verfügt noch nicht über die nötige Hirnreife und Fähigkeit Zeit einzuschätzen. Gehe einfach davon aus, dass dein Kind trödelt, weil es seinem Entwicklungsstand entspricht.
  • Werde kreativ. Dein Kind will sich morgens nicht anziehen, du willst aber pünktlich im Kindergarten sein? Zieht bereits am Abend vorher die Klamotten für den nächsten Tag an und lass dein Kind darin schlafen.
  • Fühle in dich rein und tue dir, insbesondere vor Situationen, von denen du weißt, dass sie deine Geduld erfordern werden, etwas Gutes

Aber Geduld ist nicht nur themenabhängig, sondern auch stark situationsabhängig. Nicht jeder Tag ist gleich. Was mir gestern leicht gefallen ist, kann heute meine Geduld strapazieren. Und deshalb wird es immer Situationen geben, die sich nicht vermeiden lassen und die trotz guter Vorbereitung und Zeitpuffer stressig werden.

Ungeduld als Hinweisgeberin

Wenn ich früher ungeduldig war, habe ich mich dafür verurteilt. Ich wollte doch immer liebevoll und empathisch auf meine Kinder reagieren. Und meine Ungeduld war dabei natürlich nicht hilfreich. Ich wollte sie loswerden.

Heute weiß ich, dass aufkommende Ungeduld für mich ein Anzeiger ist, dass etwas nicht stimmt. Dass es gerade ein Ungleichgewicht gibt zwischen Anforderungen und Ressourcen. Wenn alle durcheinander reden. Das eine Kind angezogen werden will, das zweite Kind seinen Schuh nicht findet und das dritte Kind „Mama, feeeeertig!“ von der Toilette ruft. Und gleichzeitig die Uhr sagt, dass der Schulbus in 10 Minuten fährt. Dann bekomme ich Stress und spüre dieses unangenehme Gefühl der Ungeduld in mir aufsteigen.

Ungeduld ist also nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil. Sie ist eine Hinweisgeberin, die mich darauf aufmerksam macht, dass ich gerade ein oder mehrere unerfüllte Bedürfnisse habe.

Um diesen Hinweis erkennen zu können und nicht der Ungeduld freien Lauf zu lassen, braucht es die oben genannte bewusste Entscheidung, einen Moment inne zu halten und Zeit verstreichen zu lassen bis du reagierst. Das ist der entscheidende Moment hin zur Geduld.

Wie das klappen kann? Mit viel Übung. Und Geduld (Haha, I know…) mit dir selbst. Und durch ausprobieren, was in welcher Situation zu dir passt.

Hier hab ich 5 Vorschläge für dich:

  • Drücke gedanklich die Pausetaste und sage dir innerlich ein klares STOPP. Das unterbricht deine Gedanken und verhindert, dass du vom Stress eingesaugt wirst.
  • Stelle dir vor, du stülpst eine Käseglocke aus Glas über dich, die dich schützt. Du kreierst dir deinen eigenen sicheren Bereich, an dem die Geschehnisse und Geräusche von außen abprallen.
  • Zähle langsam bis 10
  • Atme 10mal langsam tief ein und aus
  • Klopfe deinen Körper mit der flachen Hand und mit ein bisschen Schmackes ab

Beginne mit einem kleinen Schritt. Einem kleinen Schritt, der für dich möglich erscheint. Fang einfach an und dann sei milde mit dir, wenn es nicht jedes klappt. Du kannst nicht immer geduldig sein. Niemand kann das. Und wenn du es morgen in einer von zehn Situationen geschafft hast, dann klopf dir für dieses eine Mal auf die Schulter.

Und dann bleib dran. Geduld ist erlernbar. Und es lohnt sich so sehr. Denn wir Menschen lernen am besten am Beispiel. Und in diesem Fall in gleich dreifacher Form:

  1. Dein Kind lernt von dir den Umgang mit dem unangenehmen Gefühl der Ungeduld. Und es nimmt wahr, dass du diese Anstrengung des geduldig seins für dein Kind auf dich nimmst und eure Beziehung priorisierst.
  2. Du darfst von deinem Kind lernen zu entschleunigen, inne zu halten im Hier und Jetzt. Manchmal gibt es einfach nichts wichtigeres als diesen Moment.
  3. Durch deine Geduld deinem Kind gegenüber bist du Vorbild für andere Eltern. Mit jedem Mal geduldig sein in der Öffentlichkeit eröffnest du einen Raum, in dem du zeigst, dass es diese Möglichkeit auch gibt.

Wenn das keine Motivation ist…

Und vergiss nicht: du machst das toll und du bist gut so, wie du bist.